Charisma – Wunderdroge, Zaubermittel oder Gabe?

Faszination pur ist angesagt, wenn sie den Raum betreten. Alle drehen sich um und schauen wie gebannt. Woran liegt es, dass manche Leute stets strahlender Mittelpunkt sind und andere einfach übersehen werden? Was verbirgt sich hinter dem „gewissen Etwas“? Ist Charisma eine angeborene geheime Kraft, mit etwas gutem Willen erlernbar oder steckt noch mehr dahinter?

Was ist Charisma?

Charisma umhüllt bestimmte Menschen wie eine Aura, die sie attraktiv und begehrenswert macht. Charisma ist das, was uns bei einem anderen Menschen elektrisiert, weshalb wir ihn bewundern oder worum wir ihn beneiden. Doch was ist das eigentlich, Charisma? Laut Lexikon kommt das Wort „Charisma“ aus dem Griechischen. Es wird abgeleitet von „Charis“, der Göttin der Anmut und bedeutet „Gnadengabe“. Darunter versteht man eine göttliche Eingebung, die Führungspersönlichkeiten mit einer besonderen magischen Energie ausstattet. Erfolgreiche Heerführer wie zum Beispiel Alexander der Große erklärten ihre Erfolge damit, dass die Götter ihnen gnädig seien und ihnen „Charisma“ verliehen hätten. Im Neuen Testament ist „Charisma“ Ausdruck für die Begabung mit dem Geist Gottes. Dieser Geist hat beim Pfingstwunder die Versammlung der gläubigen Anhänger Jesu ergriffen. So drückt sich „Charisma“ auch in der Fähigkeit zum Heilen oder in besonderer religiöser Verzückung aus. In der Soziologie meint „Charisma“ eine besondere Form der Autorität, die nicht auf physischer Macht beruht, sondern auf der Ausstrahlung eines Menschen. Ausstrahlung ist also eine innere Qualität, die sich nach außen präsentiert. Ausstrahlung bedeutet wortwörtlich, dass etwas von innen nach außen strahlt, nämlich Ihr Inneres, Ihre Persönlichkeit, Ihr Wesen. Sie ist nicht anderes als die Brücke zwischen dem inneren Zustand und der äußeren Erscheinung eines Menschen.

Das Geheimnis einer guten Ausstrahlung

Juliette Binoche, die französische Schauspielerin, ist ein gutes Beispiel. Egal, ob sie als Pennerin unter der Bücke haust, als sittsame Krankenschwester den englischen Patienten pflegt oder als Schokoladenverkäuferin eine ganze Provinzstadt verführt – man kommt aus dem Kino und denkt, was für eine tolle Frau, was für eine tolle Ausstrahlung! „Forscher haben herausgefunden, dass in unserer Wahrnehmung die Ausstrahlung eines Menschen eine wesentlich größere Rolle spielt als sein äußeres Erscheinungsbild“, sagt Regina Först, Persönlichkeitsberaterin und Autorin des Buches „Wie ich mein Charisma entfalte“, Kösel-Verlag, München, 17,95 Euro. „Sie wirkt sogar stärker als so mancher vermeintlich äußerer Makel, den wir über den ersten Eindruck gewinnen wie zum Beispiel eine zu üppige Figur oder eine zu große Nase.“ Wer eine starke positive Ausstrahlung hat, wirkt glaubwürdig, authentisch, sympathisch und souverän. Er macht andere neugierig auf sich, kann leichter Kontakte knüpfen. Außerdem kann er andere besser überzeugen und motivieren. Ausstrahlung ist dabei mehr als antrainierte Gestik, Mimik, Stimme und ein nettes Outfit. „Charismatische Persönlichkeiten sind in aller Regel nicht einfach nur perfekt. Sie strahlen eine Harmonie aus, die ihnen Präsenz, Ausdrucksstärke und Gelassenheit verleiht“, erklärt Michael Reiter, Bewusstseinstrainer und Coach in München. „Die Quelle dieser Harmonie ist ihre innere Balance, die sie auch in angespannten Situationen souverän bleiben lässt. Solche Menschen sind unter den verschiedensten Bedingungen authentisch, handeln so wie es zu ihnen passt. Dies wird für andere über ihre Ausstrahlung spürbar.“ Menschen mit Ausstrahlung wirken auf natürliche Weise selbstsicher, überzeugend, anmutig und respektvoll. Sie vertrauen darauf, was sie sind, weil sie sich im Inneren im Gleichgewicht befinden. Eine harmonische Ausstrahlung ist wie ein inneres Leuchten, das nach außen dringt.

So werden Sie charismatisch

Keine Angst, Sie müssen nicht gleich einen Psychiater aufsuchen, um Ihre Ausstrahlung zu verbessern. „Charisma kann man sich selbst aneignen“, meint Wolf W. Lasko, Autor des Buches „Charisma: Mehr Erfolg durch persönliche Ausstrahlung“, Goldmann-Verlag, 8,00 Euro. Es genügt schon, sich und andere bewusster wahrzunehmen. Dabei sollten Sie sich zuerst Ihrer Stärken bewusst werden. Nehmen Sie sich ein Blatt Papier und schreiben Sie links Ihre Stärken, rechts Ihre Schwächen auf. Welche Liste ist länger geworden? Falls es die recht ist, sind Sie übertrieben selbstkritisch und neigen dazu, Ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Wahrscheinlich denken Sie häufiger an Gefahren und Risiken, die Sie vermeiden wollen, statt an die Ziele, die Sie erreichen möchten. Dadurch werden Sie übervorsichtig und wirken schüchtern. Oder sie versuchen die Unsicherheit durch betonte Forschheit zu überspielen, was Ihnen keine Sympathien einbringt. Fragen Sie sich lieber: „Was habe ich, was andere nicht haben?“ Die Antwort darauf benennt Ihre Trümpfe. Glatte Haut, schöne Hände, ausdrucksvolle Augen, Humor, Gelassenheit, Courage – jeder birgt einen Schatz in sich, man muss ihn nur heben! Jedes Mal, wenn Sie merken, dass Ihre innere Stimme einen negativen Gedanken formuliert wie zum Beispiel „das schaffe ich nicht“, „mit mir will sich keiner unterhalten“, formen Sie ihn in einen positiven Satz um: „Ich bin kräftig und kompetent“ oder „Ich kann sehr gut zuhören und interessierte Fragen stellen“. Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung ist, im Hier und Jetzt zu leben. Grübeln Sie häufig darüber nach, was Sie in der Vergangenheit hätten anders machen sollen? Denken Sie oft voll Unsicherheit an die Zukunft? Menschen mit Charisma leben gedanklich in der Gegenwart. Die Vergangenheit ist unwiderruflich vorbei, was die Zukunft bringt, wissen Sie erst, wenn sie da ist. Verbauen Sie sich nicht den Genuss am Augenblick! Bemühen Sie sich, an den kleinen Dingen des Alltags Freude zu finden: einem freundlichen Lächeln, netten Worten oder einem überraschenden Anruf. Ein bewährtes Rezept: Freuen Sie sich jeden Morgen nach dem Aufwachen auf das, was Sie heute noch erleben werden! Schritt drei ist der Mut zum Risiko. Sie brauchen nicht vom Zehn-Meter-Brett zu springen oder Hals über Kopf Ihren Job hinzuwerfen. Aber im Alltag etwas mehr wagen als üblich, macht Sie für andere attraktiv. Ziehen Sie nicht den Kopf ein, wenn man Sie kritisiert, sondern nehmen Sie Kritik konstruktiv auf. Bekennen Sie sich offen zu sich selbst. Versuchen Sie, Ihre Hemmungen zu überwinden, statt sich einzureden, dass ein anständiger Mensch wie Sie gern einen Rückzieher macht. Das beste Mittel gegen Angst ist, sie zu akzeptieren. Dann können Sie genau das tun, wovor Sie Angst haben. Das wird Ihr Selbstbewusstsein stärken und Sie die Angst überwinden lassen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Körperhaltung. Stehen Sie aufrecht, ohne hängende Schultern. Fühlen Sie, wie Ihr Scheitel Sie zur Decke zieht. Heben Sie Ihre Augen soweit, dass Ihr Blick beim Gehen über der Horizontlinie ruht. Blicken Sie Ihren Gesprächspartnern direkt ins Gesicht. Lassen Sie ihren Blick wandern, schauen Sie auch mal zur Seite, aber suchen Sie immer wieder die Augen Ihres Gegenübers. Bemühen Sie sich um einen freundlichen Gesichtsausdruck. Zeigen Sie ab und zu ein Lächeln. Sicheres Auftreten und selbstbewusste Körperhaltung übertragen sich auf Ihr Gemüt und geben Ihnen einen regelrechten Stimmungskick! Wichtig sind auch Ihre Gesten. Trommeln Sie nicht nervös mit den Fingern und kauen Sie nicht am Kugelschreiber. Verschränkte Arme oder gekreuzte Beine wirken wie eine Barriere. Öffnen Sie die Arme und wenden Sie sich Ihren Gesprächspartnern mit dem ganzen Körper zu. Tipp: Alle offenen, ruhigen Gesten wirken grundsätzlich sympathisch.

Michael Reiter ist Autor des Buches „Ihre Ausstrahlung – erkennen, entwickeln und gezielt einsetzen“ (Haufe-Verlag, Planegg, 6,60 Euro). Er gilt als Ausstrahlungsexperte.

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